Neustart fürs Büro │ Zukunftsforscherin Birgit Gebhardt │ Wirksame Arbeitswelten

Wenn das Homeoffice bleibt, kann das Büro nicht bleiben wie es ist.

Zukunftsforscherin Birgit Gebhardt über den Neustart fürs Büro.

Eigentlich glaubten wir uns auf dem richtigen Weg. Entsprechend der agilen Zusammenarbeit wurden die Büros flexibilisiert: auf offener Fläche sollte alles möglich sein, – vor allem Kommunikation und Wissensaustausch. Doch jetzt – da die Belegschaft zunehmend im Homeoffice bleibt, stellt sich eine Frage wie von selbst: Wurden die Menschen bei diesen Planspielen vergessen? Der Rückzug ins Homeoffice und der Wunsch, hier sein kuscheliges Einzelbüro wiederzufinden, darf als Abkehr vom Open Space und allen uniformen One-Fits-All-Angeboten verstanden werden. Dass der Open Space den Austausch fördere, hat sich nämlich nicht bestätigt. Im Gegenteil: wie das Tragen von Kopfhörern bewies, war der Wunsch, sich am Schreibtisch auf seine Arbeit konzentrieren zu können, deutlich ausgeprägter.

Treu geblieben sind dem Open Space die Architekturbüros und manche Kreativagenturen. Denn natürlich bietet eine freie Fläche die einfachste Möglichkeit, Arbeitsplätze zu verteilen. Treiber hinter diesem Planungsgedanken sind ökonomische Zwänge, die noch heute als maximale Effizienz bei größtmöglicher Flexibilität verkauft werden – doch für wen? Es sind hier keineswegs die Mitarbeitenden adressiert, die – visuell und akustisch schutzlos – in Reih und Glied vor einem Monitor sitzen, der nicht einmal mehr „ihr“ Arbeitsplatz ist. So wird der Open Space zur Metapher für die Stressfaktoren von New Work: Das unwohle Gefühl, sich jedes Mal seinen Platz (seine Position) neu suchen zu müssen, sich unter Beobachtung zu fühlen, keine Privatsphäre zu haben und für Gespräche den Raum sogar verlassen zu müssen. Dabei haben Bürotätige in zahlreichen Umfragen bekräftigt, dass vor allem ihre Kollegen der Grund sind, ins Office zu kommen. Doch hier hat die Qualität des vertrauten Austauschs wohl keinen Platz mehr.

One-fits-all is over

Den Open Space liebt das Flächenmanagement: Immobilienentwickler, Planungsdienstleister und zahlengetriebene Organisationsberater. Nirgendwo sonst lässt sich Fläche so leicht durch Headcounts teilen, eine DeskSharing Quote einführen und der Plan mit Leben füllen. Doch die simple Rechenformel funktioniert nicht mehr.

Warum es neue Flächenkonzepte braucht:

1. Mangelnde Planbarkeit
Die meisten Mitarbeitenden nutzen inzwischen die Möglichkeit von Zuhause oder unterwegs aus zu arbeiten und wollen höchstens noch 2-3 Tage ins Büro kommen.

2. Auslastung rangiert vor Angebot
Diejenigen, die kommen, erleben entweder einen nahezu ausgestorbenen Open Space oder – müssen bei Verknappung und Desk Sharing – einen Platz über ein Buchungstool finden. Das Schrauben an der Quantität führt nicht automatisch zu mehr Qualität.

3. Abstimmung mit Teamkollegen
Wenn die Talente ins Büro kommen, würden sie gern bei ihrem Team sitzen und sich mit ihm austauschen. Doch dazu braucht es abgetrennte Räume und akustisch unterschiedliche Zonen. Das Durchmetern von Bildschirmarbeitsplätzen macht kein Büro mehr.

4. Neue Anforderungen
Der Mehrbedarf an Meeting-, Team- und Workshopräumen steigt. Z. B. beansprucht er bei der Swisscom 60-80 % der Gesamtfläche. Kommunikation braucht also vielfältige Raumangebote.

Stimmungs-Stimuli

In den offenen Konzepten wurde oft ignoriert, dass Menschen nicht nur soziale, sondern auch territoriale Wesen sind und nach einem Rahmen oder Raum suchen, in dem sie agieren, und den sie besetzen können. Zu dieser anthropologischen Anlage passt interessanterweise auch der New-Work-Trend des so genannten Activity Based Working. Die transdisziplinäre Projektarbeit und Anwendung agiler Methoden erfordert nämlich, dass sich mit den Arbeitsweisen auch die Räume verändern – schlicht und einfach, weil die Umgebung mit dem passenden Rahmen die jeweilige Arbeitsabsicht unterstützen kann und sollte. Die Idee ist, dass man für konzentrierte Tätigkeiten einen anderen Ort aufsucht als für normales Abarbeiten und weitere andere Umgebungen für Kreativworkshops, den lockeren Austausch, das persönliche Gespräch oder für die Erholung. So werden aktuell viele Open Spaces durch kleinere Team- und Workshopräume untergliedert und in Multispace-Landschaften verwandelt. Allerdings spiegeln die räumlichen Angebote ihren Support bislang noch sehr rudimentär und eher funktional gegenüber den Nutzern. Dabei lägen gerade in der atmosphärischen Aufladung, Lichtfarbe, Akustik und Materialität stimulierende Potenziale, wie Hirnforscher und Wahrnehmungspsychologen bekräftigen.

Wirksame Arbeitswelten

Vor allem die Frage, was im Office noch geschehen kann, das nicht auch zu Hause, im Coworking-Space, in der Gastronomie oder im Konferenzhotel geschehen kann, treibt aktuell nicht nur die Büroplaner. Der Eindruck, dass die Vernetzung zwar bis ins Homeoffice reicht, die Bindung zum Unternehmen aber abnimmt, alarmiert langsam Unternehmensführung wie Personalentwicklung. Ein Lösungsansatz ist angesichts des Fachkräftemangels eine stärkere Nutzerfokussierung, wie sie das HR gerade als „Employée Experience“ postuliert. „Experience“ klingt ein bisschen nach den Erlebniswelten im Retail oder den virtuellen Erfahrungen im Gaming und lässt ahnen, dass sich die neuen Arbeitswelten von multisensorischen Touchpoints bis ins Metaverse erweitern werden. Doch bevor das Metaverse sich zu besuchen lohnt, bietet die Überlagerung digitaler Informationen mit unserer Kohlenstoffwelt viel spannendere Erlebnisse: Knisternde Erfahrungen, gespeist mit digitalen Informationen, die man als „Blended Learning“ – oder neue Arbeitswelten bezeichnen kann. Mit dem besten aus beiden Welten könnte das Büro seinen Nutzern die Bühne für mehr Selbstwirksamkeit bieten. Und den Erlebnis- oder Resonanzraum für die Employée Experience.

Zur Autorin: Birgit Gebhardt erforscht die Zukunft unserer Arbeitskultur und berät Unternehmen wie XING oder Swisscom Immobilien. Ihre Forschungsergebnisse publiziert der Industrieverband Büro- und Arbeitswelt (IBA e.V.). Ihr Metier lernte die Trendforscherin über 12 Jahre im Projektgeschäft des Trendbüros, das sie vor ihrer eigenen Gründung auch als Geschäftsführerin leitete. Ihre neue, vom Industrieverband Büro- und Arbeitswelt (IBA e.V.) herausgegebene New-Work-Order-Studie trägt den Titel: „Die Macht des Raums“.

Zur New-Work-Order-Studie „Die Macht des Raums“
Der Beitrag erschien auch im feco-Bookazine „Neues Arbeiten. Neue Räume.“

Wir sind für Sie da.

mail@feco.de
+49 721 6289-300

Wir sind für Sie da.

mail@feco.de
+49 721 6289-300

Besuchen Sie uns im feco-forum Karlsruhe auf über 3.500 m² Ausstellungsfläche.

Beratungstermin vereinbaren