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„Treffen wir uns morgen im Büro?“

Trendscout Raphael Gielgen, Vitra, über das Arbeiten im Anywhere Eco-System

 
In den vergangenen anderthalb Jahren hat sich das Arbeitsleben für die meisten Büroarbeiter*innen grundlegend verändert – nicht nur räumlich, sondern auch strukturell. Einige dieser Veränderungen waren nur temporär, aus der Not heraus geboren. Doch was davon wird dauerhaft bleiben, sich vielleicht noch weiterentwickeln?

Als Trendscout des Möbelherstellers Vitra entwickelt Raphael Gielgen mit seinem „Work Panorama“ Jahr für Jahr eine Art Wetterkarte für die Arbeitswelt, die Unternehmen Orientierung bei genau diesen Zukunftsfragen bieten soll. Auch schon vor Ausbruch der Pandemie hat sich dabei ein Wandel angedeutet. Mit Blick auf die aktuellen Entwicklungen geht der Trendscout nun sogar noch weiter und kündigt für die nächste Dekade die größte Transformation der Wissensarbeit an.

Was das für die Zukunft des Büros und für die Gegenwart bedeutet, hat Raphael Gielgen in seinem Impulsvortrag „Die Zukunft der Arbeit ist da“ eingeordnet. Im September war er damit Gast unserer Veranstaltungsreihe „Dialog im forum“ und teilte mit uns seine Einschätzung, warum das Büro noch lange nicht tot ist, wie Arbeiten im „Anywhere Eco-System“ funktioniert und welche Konsequenzen das für die Architektur von Büroräumen hat.

Livestream verpasst? Dies ist die Aufzeichnung des spannenden Vortrags von Raphael Gielgen:

Arbeit braucht einen Perspektivwechsel

„Gehst du zurück ins Büro, bleibst du zuhause oder machst du beides?“ – fast überall auf der Welt stellen sich Arbeitnehmer*innen aktuell diese Fragen. Das Problem dabei: Egal, wie die Antwort darauf auch ausfällt, bleibt sie eindimensional und reduziert das Potenzial einer Organisation oder eines Einzelnen auf einen bestimmten Ort.

Dabei hat der vor uns liegende Möglichkeitsraum mehr zu bieten. Um das zu erkennen, braucht es jedoch einen Perspektivwechsel. Statt nach dem Wo empfiehlt Raphael Gielgen dazu die Frage nach dem Wie: Wie müsste eine räumliche Umgebung gestaltet sein, in der man sein Potenzial vollkommen entfalten kann, in der man im Team zu Dingen kommt, die sonst nicht denkbar wären?

Denn auch wenn Arbeit immer irgendwo räumlich verortet ist, definieren sich Menschen letztlich nicht über Gebäude, sondern über gemeinsam Erreichtes. Das wird sich auch in Zukunft nicht ändern. Um das Potenzial von Wissensarbeiter*innen und Räumen voll auszuschöpfen, sollten Unternehmen daher ein Mindset entwickeln, das das Büro als Erlebnis- statt als Arbeitsraum betrachtet. Wie das gelingen kann, zeigen Beispiele wie das Vitra Club Office oder das feco ErlebnisReich.

The City is the Office

Noch bis vor Kurzem war das Büro für die meisten ganz selbstverständlich der Hauptarbeitsort. Spätestens mit dem Rückzug ins Homeoffice im ersten Lockdown hat sich das nachhaltig verändert. Während viele darin zunächst eine große Herausforderung sahen, wurde schnell klar, dass die Entkopplung von Arbeit und Büro eine bis dahin nicht gekannte Freiheit ermöglicht und die freie Wahl des Arbeitsortes eine neue Lebensqualität bietet.

Die Konsequenz: Das Büro hat sein Monopol auf Arbeit endgültig verloren. Mit dem Satz „The City is the Office“ dehnt die Hamburger JES-Architektin Julia Erdmann den Bürobegriff deshalb über den Horizont eines einzelnen Gebäudes hinaus aus und macht deutlich, dass jede Umgebung eine Vielfalt an potenziellen Arbeitsorten zu bieten hat.

Raphael Gielgen fasst das unter dem Begriff „Anywhere Eco-System“ zusammen. Und dieses Ökosystem ist es, das laut Gielgen die Transformation der Wissensarbeit erst möglich macht.

Unser Büro, unsere Heimat

Wenn Arbeit künftig nicht mehr an einen bestimmten Ort gebunden ist, stellt sich schnell die Frage: Was passiert dann mit dem Büro? In der Pandemie haben wir erkannt, dass wir trotz aller Technik den persönlichen Austausch brauchen. Doch das muss nicht zwingend im Büro sein. Vielmehr wird künftig jeder physische Ort um die Gunst der Mitarbeiter*innen buhlen.

Statt die eigenen Mitarbeiter*innen einfach wieder zurück ins Büro zu beordern, sollten Unternehmen sich daher fragen: Wie kann es gelingen, dass sie freiwillig wieder zurückkommen? Für Raphael Gielgen liegt der Schlüssel in der sogenannten „Campus Community“. Zwei Faktoren sind für sie besonders relevant: dass der Raum zu Innovationen inspiriert und dass er den Mitarbeiter*innen eine „berufliche Heimat“ bietet, die Unternehmenskultur widerspiegelt.

Es gilt also, das Potenzial von Raum neu zu entdecken, wie in einer „Turnhalle des Geistes“. Dazu stellt sich zunächst die Frage nach den Hauptaktionsfeldern des eigenen Unternehmens, die auf die Wertschöpfung einzahlen. Jedes davon sollte räumlich abgebildet werden, vor allem aber räumlich „kuratiert“ werden, so Gielgen.

Vom Unternehmer zum Generalintendanten

Bei all den räumlichen und virtuellen Möglichkeiten wird der physische Kontakt in Zukunft immer mehr zum Premium-Kontakt, den wir ganz bewusst erleben und zu dem wir uns gezielt verabreden. Und so werden wir auch in Zukunft noch häufiger die Frage hören: „Treffen wir uns morgen im Büro?“.

Damit die Wahl dabei tatsächlich auf das Büro fällt, braucht dieses eine Seele, so Gielgen, – und die wiederum wird ihm erst durch Menschen eingehaucht. Das Büro muss also zu einem Ort werden, an dem Menschen gerne zusammenkommen. Darin liegt die große Zukunftsaufgabe für Unternehmer: Sie werden zu den Generalintendanten ihrer Räume und müssen Programme entwickeln, die sie entsprechend aufladen.

Sie sind neugierig, wie solche „neu programmierten“ Räume aussehen könnten? Auch im feco-forum haben wir diesen Wandel angestoßen und 2021 unsere neue Arbeitslandschaft „ErlebnisReich“ eröffnet. Kommen Sie gerne vorbei und lassen Sie es auf sich wirken!

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